RESA des KKW Krško nach Erdbeben am 29.12.2020
Am 29.12.2020 kam es im Kernkraftwerk Krško (SI) zu einer Reaktorschnellabschaltung (RESA) nach dem Ausbruch eines Erdbebens um ca. 12:20 Uhr. Das Zentrum des Erdbebens lag laut USGS in Petrinja, Kroatien mit einer Magnitude von 6,4.
Frequenzänderungen durch eine Schnellabschaltung
Bei einer Reaktorschnellabschaltung findet ein sofortiger Lastabwurf statt und das Kernkraftwerk steht dem Netz nicht mehr zur Energieerzeugung zur Verfügung. Wir hatten schon in unserem Artikel über die Turbinenschnellabschaltung (TUSA) des KKW Gösgen, Schweiz erklärt, daßdie Netzfrequenz den Zusammenhang zwischen gleichzeitiger Erzeugung und Verbrauch widerspiegelt. Im Falle einer TUSA oder RESA entsteht aufgrund des abrupten Abtrennens des Kraftwerks vom Netz ein momentanes Leistungsungleichgewicht und als Folge sinkt die Netzfrequenz mit einem steilen Gradienten. Zu steile Änderungsraten, also zu hohe Frequenzgradienten werden durch ans Netz angeschlossene rotierende Schwungmassen (sog. Momentanreserve), insbesondere Turbosätze von thermischen Kraftwerken mit ihren Synchrongeneratoren, verhindert.
Momentanreserve und die Netzanlaufzeit
Hier kommt ein nützlicher physikalischer Effekt zum Tragen: in den Generatorschwungmassen der thermischen Kraftwerke, als auch den Massen von rotierenden Verbrauchern, ist eine erhebliche Menge kinetischer Energie gespeichert. Diese kinetische Energie wird im Falle eines Frequenzeinbruchs ausgespeichert. Bild: https://www.netzentwicklungsplan.de
Die Summe der an das Stromnetz angeschlossenen Schwungmassen wird über die Netzanlaufzeit definiert. Vereinfacht ausgedrückt: je höher die Netzanlaufzeit, desto mehr rotierende Verbraucher, somit kinetische Speicher, sind mit dem Netz verbunden. Im Falle einer Störung, wie z.B. der RESA des hier beschriebenen Kernkraftwerks, oder der Systemaufspaltung aufgrund von Unterfrequenz am 08.01.2020 helfen rotierende Schwungmassen die Frequenzstabilität zu erhöhen und Leistungsoszillationen im europäischen Verbundnetz zu verhindern.
Lokal unterschiedliche Frequenzabweichungen - eine Folge von mangelnder Momentanreserve?
Die Reaktorschnellabschaltung, mit Folge der Nichtverfügbarkeit des Kernkraftwerks Krško, fand laut ENTSO-E am 29.12.2020 um 12:19 (CET) statt.
Bei Betrachtung des Frequenzdiagramms, im Moment der Schnellabschaltung, fällt auf, daß die in Ljubljana gemessene negative Frequenzabweichung mit -90 mHz bei ausgefallenen 696 MW relativ hoch ist. Im Falle der TUSA des KKW Gösgen hatten wir eine Frequenzänderung von ca. -50 mHz gemessen, bei einem Erzeugungssausfall von ca. 1 GW. Der Wert von ca. -50 mHz/GW ausgefallener Erzeugungsleistung entspricht auch unseren Erfahrungswerten, basierend auf Auswertungen von Schnellabschaltungen (Krämer, Ch.; Veith, T.: Auswirkungen von Schnellabschaltungen auf das Verbundnetz. BWK Bd. 69 (2017) Nr. 9, S. 47-50.).
Der Frequenzeinbruch infolge der RESA, während des Erdbebens vom 29.12.2020, schwächt sich auf seinem Weg durch Europa erkennbar ab. So ist die Auswirkung in Wien deutlich, wenn auch abgeschwächt, zu sehen. In Dresden und Bonn wurde kein signifikant steil negativer Frequenzeinbruch mehr registriert. Im Gesamtnetz sinkt in den folgenden Sekunden, aufgrund der durch das Erdbebens ausgelösten Schnellabschaltung, die Frequenz im Gesamtnetz um ca. 15 mHz auf 50,01 Hz.
Es steht zu vermuten daß die Störung auf ihrem Weg durch das europäische Netz durch die dortigen Momentanreserven absorbiert wurde. Jedoch scheint, im direkten Vergleich zu den Nachbarländern und den Auswirkungen in diesen, weniger Schwungmasse im von der RESA betroffenen Netzgebiet in Slowenien aktiv zu sein. Der Mangel an Momentanreserve würde eine plausible Erklärung darstellen, da der Frequenzeinbruch mit -90 mHz überproportional hoch war, bei einer ausgefallenen Leistung von 696 MW.
Stand 10.01.2020 1700 Uhr