Auswirkungen einer TUSA auf die Netzfrequenz?
Am 26.07.2019 kam es im Kernkraftwerk Gösgen (CH) zu einer Turbinenschnellabschaltung, auch TUSA genannt. Grund für die TUSA war laut Angaben des Betreibers Kernkraftwerk Gösgen-Däniken AG ein Kurzschluss in einem Schaltanlagengebäude.
Warum wirkt eine TUSA eigentlich auf die Netzfrequenz?
Eine TUSA hat einen Lastabwurf auf Null zur Folge. Dies bedeutet, daß das Kraftwerk steht schlagartig nicht mehr zur Erzeugung elektrischer Energie zur Verfügung. Wie in unserem Artikel zum Unterfrequenz-Vorfall im Januar 2019 erklärt, müssen sich Erzeugung und Verbrauch von elektrischer Energie nahezu exakt die Waage halten. Das Gleichgewicht von Erzeugung und Verbrauch spiegelt sich in der Netzfrequenz wieder. Kommt es, wie im Fall der o.g. TUSA zu einer schlagartigen Unterspeisung von elektrischer Energie, zeigt sich dies in einem sehr signifikanten Abfall der Netzfrequenz mit einem starken Gradienten, also einer starken Frequenzänderung in einer kurzen Zeitspanne.
Im Fall des KKW Gösgen fand eine Leistungsreduktion von 1020 MW auf 0 MW statt, also rund 1 GW Leistung die dem Netz nicht mehr zur Verfügung stand und durch Primärregelleistung abgefangen werden mußte.
Die Abbildung zeigt den Auszug der Veröffentlichung der TUSA in der Datenbank der ENTSO-E.
Der Auslegungsfall für eine Störung im UCTE-Netz darf bis zu 3000 MW betragen (UCTE Operation Handbook, Policy 1: Load-Frequency Control and Performance, Abschnitt A-D3.1.Reference Incident for the UCTE SYNCHRONOUS AREA), d.h. rund das Dreifache des mit dieser TUSA in Gösgen vom Netz gegangenen KKWs. Da zum Ausfallzeitpunkt in den Vormittagsstunden eine große Anzahl an Kraftwerken mit hoher Gesamtleistung am Netz war, kam es zwar zu einer negativen Frequenzabweichung von ca. 50 mHz. Diese führte aber die Netzfrequenz bei weitem nicht in den Bereich von 49.8 Hz.
Lokale Unterschiede in der Netzfrequenz
Interessant in nachfolgender Graphik ist der Frequenzverlauf an den dargestellten Messstationen. Es zeigt sich, daß die Frequenzabweichung in Neustadt bzw. Rottenburg ca. eine Sekunde früher zu sehen war als in dem deutlich weiter entfernten Ostrhauderfehn. Sowohl Neustadt als auch Rottenburg sind im Süden Deutschlands gelegen und somit wesentlich näher am Ort der Störung gelegen als Ostrhauderfehn im Norden Deutschlands. Die zeitliche Differenz der Frequenzabweichung liegt wahrscheinlich zum einen in der Distanz zwischen dem Ausfallort und der Meßstation begründet, aber auch darin daß sich Netze lokal unterschiedlich verhalten.
Rückführung der Netzfrequenz
Da durch den Ausfall des KKW bzw. der TUSA die Netzfrequenz stark eingebrochen ist, muß diese wieder an die Sollfrequenz herangeführt werden. Die Primärregelleistung hat die Aufgabe, den Frequenzabfall zu stoppen und die Netzfrequenz auf dem neuen Niveau zunächst zu stabilisieren. Anschließend führen die Übertragungsnetzbetreiber durch Einsatz von Sekundärregelleistung die Netzfrequenz wieder in den Sollbereich von 50 Hz +/- 10 mHz zurück.
Das Ereignis zeigt, dass sich eine TUSA eines KKW, aber auch eine Reaktorschnellabschaltung, eine RESA, mit einhergehendem Erzeugerleistungsabfall bei hoher Verfügbarkeit von Schwungmassen am Netz gut beherrschen lässt, aber es dennoch zu sichtbaren Frequenzeffekten im Stromnetz kommt.
Die Wirkung des Frequenzeinbruchs ist sehr ähnlich dem des Frequenzeinbruchs zum Stundenübergang durch Handelsprodukte. Gemeinsamkeiten, Unterschiede und damit einhergehende Netzeffekte werden wir in einem weiteren Artikel genauer unter die Lupe nehmen.
Den Effekt der lokalen Frequenzunterschiede bzw. lokal auftretender Muster zeigen und analysieren wir demnächst ebenfalls in einem Beitrag hier auf gridradar.net.