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Deutsche erneuerbare Energien stabilisieren das Stromnetz

In einer vorhergehenden Analyse hatten wir Stabilisierungseffekte durch erneuerbare Energien untersucht. Nachlesen können Sie dies hier auf Gridradar.net und in unserer BWK-Veröffentlichung aus dem September 2018. In dem Artikel wurde untersucht, wie Frequenzabweichungen auftreten und ob sich ein Muster hierbei beobachten lässt. Es wird festgestellt, dass Frequenzabweichungen v.a. direkt nach dem Stundenwechsel auftreten. Aus den Frequenzabweichungen wird gefolgert, dass ein direkter Zusammenhang mit Handelsprodukten an Strombörsen bestehen könnte. Für die Untersuchung werden Daten einer Messstation in Süddeutschland zwischen August 2017 und März 2018 in einem 7-Minuten-Fenster aggregiert (3 Minuten vor bis 3 Minuten nach dem Betrachtungszeitpunkt) und anschließend die Abweichung innerhalb des Zeitraums analysiert.

Langzeitanalyse der Frequenz seit Oktober 2017

Wir haben die Überlegungen des Artikels erneut aufgegriffen und in größerem Kontext analysiert. Hintergrund der Untersuchung ist, ob die identifizierten Effekte auch längerfristig nachweisbar sind. Für den Zeitraum zwischen Oktober 2017 und April 2019 wurden alle Ereignisse analysiert, bei denen eine Abweichung der Istfrequenz von mehr als 100 mHz von der Sollfrequenz aufgetreten ist, also Frequenzen < 49,9 Hz bzw. > 50,1 Hz. Diese Schwelle wurde gewählt, weil in diesem Frequenzbereich definitiv bereits Primärregelleistung (PRL) zur Stabilisierung des Stromnetzes genutzt wird.

Für die Analyse wurden Daten aller Gridradar-Messstationen sekundenscharf aggregiert. Durch die Kombination über mehrere Messstationen können solche Ereignisse herausgefiltert werden, bei denen lokal der festgelegte Schwellenwert kurzfristig überschritten wird. Außerdem wurden Ereignisse zusammengefasst, die in einem Abstand von maximal fünf Minuten in eine Richtung erfolgt sind. Da 100 mHz keine feste Schwelle im Operational Handbook der ENTSO-E oder bei nationalen Regulierern darstellt, kommt es häufiger vor, dass sich die Frequenzabweichung um diese Schwelle herum bewegt. Damit gehören diese zum gleichen Ereignis, selbst wenn sie die Schwelle kurzfristig unterschreiten.

Erkenntnisse aus der Untersuchung

Allgemeine Darstellung der Daten

Der Untersuchung liegen 509 Ereignisse zugrunde, bei der die Frequenz im Mittel mehr als 100 mHz abgewichen ist. Folgende Abbildung zeigt, dass sich solche stärkere positiven Abweichungen und negativen Abweichungen ziemlich genau die Waage halten. Dabei fällt auf, dass insgesamt weniger Abweichungen in den Sommermonaten als in den Wintermonaten auftraten. Dies kann durchaus dadurch begründet werden, dass in den Sommermonaten 2018 eine außergewöhnlich lange und stabile Wetterlage geherrscht hat, bei der auch im Vergleich mit früheren Jahren relativ wenig konventionelle Erzeugung genutzt wurde.

Die Mehrzahl der Ereignisse sind singuläre Ereignisse.

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In der Verteilung der Ausfalldauern zeigt sich, dass zwei Drittel der Frequenzabweichungen weniger als eine Minute anhielten, aber mehr als 50 Prozent der Ereignisse die kritische Grenze von 30 Sekunden überschritt. Dies ist von Relevanz, denn bei Frequenzabweichungen > 30 Sekunden beginnt die Aktivierung von Sekundärregelleistung in Deutschland. Da hier keine Abweichung von den vorgesehenen 10 mHz zur Aktivierung von Regelleistung sondern von 100 mHz betrachtet wird, handelt es sich bei dieser Beobachtung um eine eher konservative Abschätzung der Dauer.

Trotz kleinerer Plateaus um 100 und 150 Sekunden zeigt sich eine erwartbar gleichmäßige Verteilung der Abweichungsdauern mit wenigen langanhaltenden Ereignissen und vielen von kurzer Dauer. Wesentliche Unterschiede zwischen positiver und negativer Abweichung lassen sich nicht erkennen (weshalb dies hier auch nicht dargestellt wird).

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Während die Graphiken die allgemeine Verteilung von Frequenzabweichungen im Zeitraum darstellen, soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, ob sich bestimmte zeitliche Muster oder Ereignis-bedingte Muster in den Daten erkennen lassen.

Betrachtung von Abweichungsmustern

In dem Artikel „Erneuerbare Energien wirken stabilisierend auf das Verbundnetz“ wurden besonders stark ausgeprägte Abweichungen um den Stundenbruch identifiziert. Im ersten Schritt soll daher geklärt werden, ob diese Abweichungen eher zufällig aufgrund der verwendeten Aggregationsmethode oder des betrachteten Zeitraums identifiziert werden konnten oder ob diese auch durch die hier verwendete Analysemethode bestätigt werden können. Folgende Graphik zeigt die Verteilung der Ereignisse über den Stundenverlauf.

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Es zeigt sich, dass der Großteil der Ereignisse (93,7 Prozent) im Zeitfenster zwischen Minute 0 und Minute 5 identifiziert werden kann. Damit ist auch hier der Stundenbruch der ausschlaggebende Treiber. Die anderen Ereignisse finden fast ausschließlich in der letzten Viertelstunde statt. Diese Verteilung deutet darauf hin, dass der Stundenwechsel der Treiber für systematische größere Abweichungen in der Frequenz darstellt. Der Hintergrund für diese Beobachtung ist wahrscheinlich, dass zum Stundenwechsel die Lieferfristen von Anbietern auslaufen bzw. die von anderen Anbietern anlaufen, die „Übergabe“ zwischen vorherigen und nachfolgenden Anbietern erfolgt allerdings nicht koordiniert. Daher verändern frühere Anbieter ihre Einspeisung bereits vor dem Stundenwechsel, während spätere Anbieter noch nicht die volle Leistung zum Stundenwechsel erbringen.

Daher stellt sich die Frage, ob durch den Stundenwechsel das System eher in eine Unter- oder eher in eine Überfrequenz gerät. Die folgende Abbildung zeigt die Ergebnisse einer Auswertung auf Stundenbasis.

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Die Abbildung zeigt die stündliche mittlere Abweichung größer 100 mHz in positive und in negative Richtung. Blau schattierte Balken zeigen die Abweichungen im Winterhalbjahr, rot schattierte Balken zeigen die Abweichung im Sommerhalbjahr.

Es lassen sich i.W. zwei Zeitbereiche identifizieren, wenn Abweichungen besonders gehäuft auftreten: In den Morgenstunden, eher in positive Richtung, und in den Abendstunden, mit stärkeren Ausschlägen in negativer Richtung (außer um 22:00 Uhr). Offensichtlich sind dann Abweichungen besonders stark, wenn Kraftwerke zum Stundenwechsel hoch- oder runtergefahren werden. Beim Herunterfahren in den Abendstunden ist der Effekt in den Wintermonaten tendenziell stärker ausgeprägt. Eine potenzielle Erklärung könnte darin liegen, dass in den Wintermonaten mehr Konventionelle am Netz sind. Die ausgleichende Wirkung durch die Erneuerbaren über den Stundenbruch hinweg (vgl. Stabilisierung durch EE), scheint in diesem Zeitraum schwächer zu sein.

Erkenntnisse und Rückschlüsse aus den Beobachtungen

Die vorangehende deskriptive Analyse untermauert und vertieft die Erkenntnisse aus dem BWK-Artikel. Generell zeigen die Ergebnisse, dass Frequenzabweichungen – anders als allgemeinhin unterstellt – systematischen Schwankungen unterliegen. Besonders stark ausgeprägt sind Schwankungen um den Stundenbruch mit tendenziell positiver Richtung in den Morgen- und tendenzieller negativer Richtung in den Abendstunden, was wahrscheinlich durch Anforderungen von Börsenprodukten getrieben ist.

Diese Beobachtungen lassen Zweifel an der aktuellen Ausschreibungspraxis für Regelleistung und der Finanzierung von Regelleistungsvorhaltung und -abruf aufkommen:

Stand 20.05.2019