Netzaufspaltung infolge des Erdbebens in Ecuador
Am Samstag, 18.03.2023, kam es nach Angaben des Geologischen Instituts von Ecuador (IG) gegen 17:13 Uhr (UTC) zu mehreren Erdbeben vor der Nordwestküste Südamerikas. Das stärkste Beben erreichte einen Wert von 6,8 auf der Richter-Skala und hatte sein Zentrum rund 35 km vor der Küste von Balao an der Grenze zwischen Ecuador und Peru (vgl. bspw. die Zeit, 19.03.2023).
Die Netzaufspaltung
Das Erdbeben wirkte sich auch unmittelbar auf die Stromnetze von Ecuador und Kolumbien aus: Wie Abbildung 1 zeigt, kam es zu einer Netzaufspaltung zwischen den beiden Ländern von etwas mehr als einer halben Stunde.
Abbildung 1: Frequenzverlauf über den Zeitraum der Netzaufspaltung
Gemäß Abbildung 2 bewegte sich die Netzfrequenz vor dem Erdbeben in den Netzen von Ecuador und Kolumbien recht im Gleichschritt um die Sollfrequenz von 60 Hz. Nach 17:13:15 kam es innerhalb von ca. 4 Sekunden zu einem massiven Anstieg der Netzfrequenz auf 60,29 Hz. Dieser Anstieg kann vermutlich damit erklärt werden, dass große Verbrauchseinheiten durch automatische Sicherheitsabschaltungen im Zusammenhang mit den Erdbeben annähernd gleichzeitig vom Stromnetz getrennt wurden. Kraftwerke blieben hingegen am Netz. Dadurch kam es vermutlich zu dem kurzfristigen Frequenzanstieg mit der Folge der Netzaufspaltung.
Abbildung 2: Frequenzverlauf während der Netztrennung
Durch die Netzaufspaltung sank die Netzfrequenz im kolumbianischen Bogotá unter 59,6 Hz. Im ecuadorianischen Santa Isabel stieg die Netzfrequenz weiter auf 61,2 Hz. Dieses Auseinanderschießen der Netzfrequenz bei einer Netzaufspaltung ist nicht ungewöhnlich. Wie wir bereits beim Netzsplit am 24.07.2021 zwischen Frankreich und Spanien beobachten konnten, steigt dabei die Netzfrequenz in der exportierenden Region, während sie in der importierenden Region als Folge eines Erzeugungsunterschusses sinkt.
Diese Erkenntnis deutet darauf hin, dass vorm Netzsplit ein Energiefluss von Ecuador nach Kolumbien stattfand. Durch die Netzaufspaltung in Folge des Erdbebens wurden die beiden Netzregionen abrupt getrennt, wodurch in der südlichen Region zu viel, in der nördlichen Region zu wenig Energie verfügbar war. Die Netzaufspaltung in Südamerika führte zu zwei ähnlich großen Netzgebieten hinsichtlich der anhängigen Schwungmassen. Dies lässt sich aus den Frequenzabweichungen in beiden Regionen herleiten. Denn sie sind ähnlich stark ausgeprägt.
Anders als bei der europäischen Netzaufspaltung hat sich allerdings die unterversorgte Region relativ schnell wieder um 60 Hz stabilisiert. Die überversorgte Region kam ebenfalls innerhalb von ca. 1,5 Minuten wieder zurück in die Gegend um 60 Hz. Der Netzsplit zeigt allerdings, dass sich die Netze in beide Regionen individuell wesentlich instabiler verhielten als vor der Aufspaltung.
Die Resynchronisation
Abbildung 3: Frequenzverlauf bei der Resynchronisierung
Abbildung 3 zeigt die Resynchronisation. Nach ca. 34 Minuten, um 17:47:10 Uhr (UTC), wurden beide Netzregionen wieder zusammengeschaltet. Dabei kam es zu einer Pendelbewegung in beiden Netzen, wobei die Pendelung im Süden stärker ausfiel als die im Norden. Es steht zu vermuten, dass im Süden zu diesem Zeitpunkt weniger Schwungmassen am Netz waren als im kolumbianischen Netzgebiet. Schwungmassen bedämpfen solche Pendelbewegungen. Erst ca. 1 Minute nach der Synchronisation liefen die Frequenzkurven wieder im Gleichtakt.
Hintergrund
Die Stromnetze von Ecuador und Kolumbien sind seit 2003 als Teil des Andean Electrical Interconnection System (SINEA) über 230 kV-Leitungen synchronisiert. Die Sollfrequenz liegt bei 60 Hz. Gridradar betreibt zwei Messstationen in Ecuador und in Kolumbien. Weitere Informationen über das Synchrongebiet und das Projekt, das neben Ecuador und Kolumbien auch weitere Netzgebiete Südamerikas synchronisiert, finden Sie bspw. hier.